Sehr geehrte Stadtverordnete,

am Weltflüchtlingstag (20.6.) wandten wir uns mit einem Spendenaufruf für unsere Arbeit an Sie. Ihnen wurde dieses Schreiben durch den Bürgermeister übermittelt. In einer Begleit-E-Mail empfahl er Ihnen dringend, dem Spendenaufruf unserer Ehrenamtsgruppe „Gemeinsam in Jüterbog“ nicht zu folgen. Er begründete dies damit, dass wir seit vielen Jahren mit „tausenden Euros“ an Steuergeldern überhäuft würden und damit „sogenannte Flüchtlinge“ beglückten.

Wir möchten uns zunächst bei allen von Ihnen bedanken, die der Empfehlung des Bürgermeisters nicht folgten und uns umgehend Spenden überwiesen. Das ist für uns nicht nur eine deutliche Wertschätzung unserer Arbeit, sondern hilft uns wirklich auch konkret.

Die ca. 300 Geflüchteten, die derzeit in Jüterbog leben, sind Familien und Einzelpersonen, die aus Kriegsgebieten und verelendeten Ländern fliehen und große Risiken eingehen, um in einer sicheren Umgebung ein neues Leben zu beginnen. Dies wird ihnen alles andere als leicht gemacht: Sie müssen meist in kaum zumutbaren Einrichtungen leben und warten oft jahrelang auf die Entscheidung, ob sie bleiben dürfen oder abgeschoben werden. Sie lernen Deutsch, schicken ihre Kinder in die Schule, machen Praktika oder Ausbildungen, gehen zur Arbeit – oft unterhalb ihrer mitgebrachten Qualifikation, zahlen Steuern. Diese Menschen mit dem Attribut „sogenannt“ zu diffamieren, ist nicht nur infam gegenüber diesen Menschen, sondern ignoriert auch die Tatsache, dass wir diese Menschen als Arbeitskräfte brauchen, um unseren Wohlstand zu sichern.

Unsere Ehrenamtsgruppe arbeitet seit 2014 daran, diese neu Zugewanderten beim Umgang mit den Behörden, Kontakt zu Kindergärten, Schulen, Ärzten, auf der Suche nach Arbeitsstellen, also beim Einleben in der Kommune zu unterstützen. Wir geben Schulkindern Lernunterstützung, geben Erwachsenen Deutsch-Unterricht, organisieren kleine Feste, regelmäßige Treffen („Teestube“), gemeinsame Aktivitäten wie Ausflüge in die Umgebung zusammen mit Einheimischen, um den Zugewanderten ihr neues Zuhause und die Kultur in Deutschland bekannt zu machen, gemeinsames Essen mit Spezialitäten aus den Herkunftsländern oder gemeinsame Arbeiten wie die Herstellung der Blumenbänke, die an Seniorenheimen, Schulen und Kindertagesstätten in der Stadt aufgestellt wurden. Wir unterstützen damit Begegnungen mit Einheimischen und die Integration der Zugewanderten.

Ja, wir haben staatliche Fördergelder für solche Aktivitäten bekommen, aber der Bedarf ist höher. Zusammen mit den vielen ehrenamtlichen Arbeitsstunden und Spenden konnten wir so einen deutlich sichtbaren Beitrag für ein gelingendes Zusammenleben von Menschen aus verschiedensten Kulturen in der Stadt Jüterbog leisten. Diese Arbeit war und ist um so wichtiger, da wir sie auch stellvertretend für die Stadtverwaltung tun. Hier gibt es keine Willkommenskultur, hier gibt es keine Anlaufstelle für Zuwander*innen aus anderen Ländern, hier gibt es keinerlei Material zur Orientierung in der Stadt, keine Begrüßungsveranstaltungen. Es sind wir Ehrenamtlichen, die nach Kräften versuchen, die Untätigkeit von Hauptamtlichen irgendwie zu kompensieren. Ausnehmen von dieser Kritik möchten wir ausdrücklich Angestellte der Stadt, die unsere Arbeit respektieren, wie auch z.B. Lehrer*innen und Erzieher*innen in den Kindergärten und Schulen der Stadt, denen es zu verdanken ist, dass in ihren Einrichtungen Integration wirklich auf einem guten Wege ist.

Statt mit seiner Polemik zu „steuerfinanzierten Großzügigkeiten“ unsere Arbeit abzuwerten, sollte der Bürgermeister als zu 100 % steuerfinanzierter Hauptverwaltungsbeamter seine Pflicht erfüllen und die zu seinen Zuständigkeiten gehörende Integrationsarbeit unterstützen oder wenigstens nicht weiter behindern.

Die Mitglieder der Ehrenamtsgruppe „Gemeinsam in Jüterbog“